Gottfried Wilhelm Leibniz – Grundriss eines philosophischen Meisterwerks
Mit Gottfried Wilhelm Leibniz begegnet uns ein Philosoph, dessen Philosophie insgesamt ein großes metaphysisches System ist. Selbst seine Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie – an deren Beginn die epistemologischen Grundfragen seiner Zeit stehen, die vermeintlich bodenständigen Fragen nach der Begründung menschlicher Erkenntnis – sind über weite Strecken Metaphysik. So ist es auch wenig verwunderlich, dass der französische Schriftsteller und Aufklärer Bernard le Bovier de Fontenelle im Rahmen seiner Gedächtnisrede vor der Pariser Akademie der Wissenschaften, die Leibniz als ersten Ausländer zum korrespondierenden Mitglied ernannt hatte, sagt: „Ein Metaphysicus war er im höchsten Grade, und wie sollte dergleichen ein Mann nicht sein, dessen Verstand sich auf alles erstreckt?“ Tatsächlich ist Leibniz ein in metaphysischen Angelegenheiten überragender Denker. Bis heute, dreihundert Jahre nach seinem Tod, gibt es keinen zweiten dieses Formats. Nicht zuletzt deshalb hat man es in der Beschäftigung mit Leibnizens Philosophie über weite Strecken mit einem dicht gewobenen metaphysischen Gedankengebäude zu tun, das einem in zweierlei Hinsicht alles abverlangt: Die eine ist die begriffstheoretische und logische Hinsicht, die einen dazu nötigt, sich mit den formalen Implikationen dieses Gebäudes bekannt zu machen; die andere ist der Umgang mit metaphysischen Gestalten, die uns im Zusammenhang mit ernsthafter, wissenschaftlicher Welterschließung heute kaum noch tragbar erscheinen: Gott, fensterlose Monaden, prästabilierte Harmonie, Begriffe als atomare Bausteine der Schöpfung, ein gewaltiges Reich von möglichen aber nicht wirklichen Welten und eine wirkliche Welt als die beste aller möglichen. Das hat dazu beigetragen, dass Leibnizens Metaphysik von manchen Philosophen als hanebüchen zurückgewiesen wurde. Und so stellt sich uns die Frage – wahrscheinlich heute mehr denn je –, ob es wirklich lohnt, sich mit der Philosophie Leibniz’ zu beschäftigen. In Anbetracht meiner Überzeugung, dass dies in der Tat der Fall ist, habe ich den Versuch unternommen, das große Gedankengebäude Leibnizens im Sinne einer knappen, einführenden Zusammenfassung zu durchdringen und die wesentlichen Stränge dieser Philosophie herauszuarbeiten.